„Unser KI-Diploma soll Betriebsräte strategiefähig machen“

Prof. Tobias Kämpf gestikuliert in einer Gesprächssituation im Beprechungsraum der University of Labour.

Das Interview ist erstmalig in der Arbeitsrecht im Betrieb 9/2024 erschienen..

Tobias und Christian, ihr habt zusammen ein KI-Diploma für Betriebsrät:innen entwickelt. Warum braucht es das Diploma?

Christian Kellermann: Spätestens seit ChatGPT ist extrem viel Bewegung in das Thema KI gekommen. In vielen Betrieben hat das Thema eine unheimliche Dynamik und hat für schnelle Veränderungen gesorgt. Das stellt Betriebsrät:innen vor zahlreiche neue Herausforderungen. Wir glauben: Neben Risiken sind mit den Veränderungen durch KI auch viele Chancen für die Beschäftigten verknüpft. Betriebsrät:innen spielen hier eine entscheidende Rolle, um die Chancen zu heben und die Risiken abzuwenden. Dafür brauchen sie aber ein vertieftes Wissen in KI-Fragen – und genau das gibt es in unserem Diploma.

Tobias Kämpf: Wir wollen Betriebsrät:innen ermöglichen, vor die Welle zu kommen. Unser KI-Diploma soll Betriebsräte strategiefähig machen, um KI gezielt für eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen im Betrieb zu nutzen. Dazu tauchen wir vertieft in verschiedene KI-Technologien ein und diskutieren gezielt, was sie konkret für die Praxis bedeuten. In acht Monaten machen die Kolleg:innen einen wissenschaftlichen Deep-Dive ins Thema.

Könnt ihr erklären, mit welchen Inhalten ihr euch konkret befasst?

CK: Betriebsrät:innen sollen lernen, KI in der Praxis zu beurteilen. Einerseits um das Potenzial auszuloten, das in der Technik steckt. Andererseits auch um Risiken früh erkennen zu können. Am Anfang schauen wir deshalb genauer auf die technische Dimension der wichtigsten Anwendungen: Wie funktionieren zentrale Techniken der Digitalisierung und KI-Basistechnologien? Aufbauend darauf diskutieren wir dann, was das jetzt für die Arbeitswelt bedeutet: Wie verändern sich Arbeit und verschiedene Beschäftigungsfelder durch KI? Wir schauen uns dazu verschiedene Fallstudien und Szenarien an.

TK: Arbeitgeber machen oft den Fehler, KI als ein reines Kostensenkungsprogramm zu sehen. Dabei liegt in KI auch die Chance, Arbeit neu und besser zu gestalten. Gut gemachte KI-Einführungen können monotone Tätigkeiten ersetzen und Beschäftigten mehr Freiheitsgrade in ihrer Tätigkeit ermöglichen. Wir analysieren deshalb konkrete Praxisbeispiele, wie KI im Betrieb für eine Aufwertung von Arbeit eingesetzt werden kann und was die wichtigsten Gestaltungsfelder sind. Unsere Teilnehmenden lernen, wie sie KI ganz konkret zu einem Arbeitsverbesserungsprogramm machen.

Ihr habt beide viel zum Thema geforscht. Welche Faktoren sind in euren Augen hier entscheidend?

TK: In meinen verschiedenen Forschungsprojekten hat sich klar gezeigt: KI-Projekte sind immer dann erfolgreich, wenn die betroffenen Beschäftigten ernsthaft und systematisch daran beteiligt werden. Niemand kennt die konkreten Arbeitsprozesse und seine Tücken so gut wie sie. Unternehmen profitieren enorm davon, wenn sie Beschäftigte zu echten Mitgestalter:innen von KI machen und ihnen dabei glaubhaft Sicherheit und Zukunftsperspektiven bieten.

CK: Dazu braucht es aber Angebote, um Beschäftigte zu befähigen, sie in den Veränderungen mitzunehmen und auch auf neue oder andere Tätigkeiten vorzubereiten. Damit wären wir beim zweiten Erfolgsfaktor: Jedes KI-Projekt muss gleichzeitig ein Qualifizierungsprojekt sein. Eine wichtige Aufgabe von Betriebsrät:innen besteht deshalb auch darin, für mehr Qualifizierung zu sorgen, damit Beschäftigte in den Veränderungen nicht abgehängt werden.

Wir haben jetzt viel über Chancen durch KI gesprochen. Welche Rolle spielen denn die Risiken durch KI in eurem Diploma?

CK: Im letzten Modul unseres Diplomas befassen wir uns genau damit: Wie kann KI vernünftig reguliert werden und welche rechtlichen Ansatzpunkte haben die Akteur:innen der Mitbestimmung? Unsere Teilnehmenden lernen, welche Problematiken KI-Systeme eröffnen – Stichwort Leistungskontrolle und algorithmisches Management. Zusammen mit unserem Arbeitsrechtsprofessor Philipp Donath schauen wir dabei sehr genau, welche Rechte potentiell durch KI betroffen sind – und an welcher Stelle Betriebsrät:innen intervenieren können und müssen.

TK: Wir wollen Betriebsrät:innen auf konkrete Auseinandersetzugen vorbereiten. Dazu müssen sie wissen, welche rechtlichen Handlungsmöglichkeiten sie haben, um KI effektiv zu regulieren. Neben Wissen um DSGVO und Beschäftigtendatenschutz lernen sie bei uns deshalb auch, worauf sie bei der Aushandlung von Betriebsvereinbarungen und Tarifverträgen achten müssen. Wir schauen uns dafür auch verschiedene Fälle und Best-Practices an und diskutieren, was die Teilnehmenden daraus für ihre konkreten Fälle lernen können.

Ihr habt die betrieblichen Bezüge sehr klar herausgestellt. Können Betriebsrät:innen das Diploma dann auch nach § 37 Abs. 6 BetrVG besuchen?

CK: Unsere Arbeitsrechtler:innen haben jedes der vier Module im Diploma genau untersucht und geprüft, ob es im Sinne des § 37 Abs. 6 BetrVG erforderlich für die Arbeit eines Betriebsrats ist. Für uns war das auch ein Test, wie nah wir unseren Inhalten an der Betriebsratspraxis sind. Deshalb haben wir uns sehr über das Ergebnis gefreut: Alle vier Module des Hochschulzertifikats vermitteln Spezialwissen, das bei bestimmten, zugleich regelmäßig auftretenden Aufgabenprofilen von Betriebsrät:innen erforderlich ist. Alle vier Module sind deshalb auch nach § 37 Abs. 6 BetrVG ausgeschrieben. Über die Erforderlichkeit müssen die Betriebsrät:innen dann an Hand der konkreten Situation in ihrem Betrieb selbst entscheiden.

Letzte Frage: Was genau ist eigentlich ein Diploma of Basic Studies und wie unterscheidet er sich z.B. von einem Bachelor?

TK: Die Bezeichnung Diploma of Basic Studies (DBS) kommt aus der Schweiz. Dabei handelt es sich um einen Hochschulzertifikatsabschluss für eine wissenschaftliche Weiterbildung auf Hochschulniveau. Ein DBS ist auf dem Niveau eines Bachelors und hat mindestens 30 ECTS. Der Unterschied besteht vor allem im Umfang: Unser DBS hat 32 ECTS, ein voller Bachelorstudienabschluss bei uns wie etwa in Arbeitsrecht hingegen 180 ECTS. Dafür dauert das DBS auch nur 8 Monate anstatt 3,5 Jahre wie für einen Bachelor. Übrigens: Wer das DBS bei uns machen will, braucht wie im Bachelor auch nicht zwangsläufig ein Abitur.

Das KI-Diploma Menschzentriertes KI-Management startet erstmalig im Februar 2025.

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Beteiligte Personen

Prof. Dr. Tobias Kämpf
Prof. Dr. Christian Kellermann