Thomas, du wurdest als Einzelsachverständiger in die Ausschusssitzung eingeladen, um deine Expertise einzubringen. Kannst du uns knapp erklären, welche Neuerungen der Entwurf nun vorsieht?
Thomas: Der Entwurf wiederholt zunächst die Rechtsprechung des BAG: Die Vergleichsgruppe der Beschäftigten, an der sich die Entgeltentwicklung des Betriebsratsmitgliedes als Minimum orientiert, ist bei der erstmaligen Wahl zu bilden. Sie kann aber aus sachlichem Grund später neu definiert werden. Die Kriterien dafür können in einer leider nur freiwilligen Betriebsvereinbarung festgelegt werden. Auch das ist Rechtsprechung. Wichtig ist aber vor allem, dass entgegen der fatalen Entscheidung des BGH vom Januar 2023 eine hypothetische Karriere für das Betriebsratsmitglied möglich ist. Das heißt: Auch die im Betriebsratsamt erworbenen Qualifikationen und Fähigkeiten rechtfertigen eine entsprechende Höhergruppierung, wenn sie bei einer Stellenbesetzung im Betrieb gefordert sind. Das Betriebsratsmitglied kann dann sein Amt weiter ausüben, erhält aber mehr Geld.
Johanna, du warst in deiner Funktion als Justiziarin der IG Metall zur Anhörung eingeladen. Warum ist der Entwurf aus eurer Perspektive dringend notwendig?
Johanna: Die Arbeitgeber haben die Rechtsunsicherheit genutzt oder fühlten sich gezwungen, massive Kürzungen bei der Vergütung von Betriebsrät:innen vorzunehmen. Das hat riesige Konflikte in Betrieben ausgelöst, die natürlich die eigentlich vorgesehene vertrauensvolle Zusammenarbeit verhindern. Kolleg:innen wurden zum Teil in Existenznöte gebracht. Das gesamte Geschehen diffamiert die wichtige Funktion und die Bedeutung des Ehrenamtes Betriebsrat. Wir führen aktuell hunderte gerichtliche Auseinandersetzungen. Wir gewinnen zwar die allermeisten Prozesse – aber die Konflikte ziehen sich durch die Instanzen. Dabei gibt es wirklich wichtige Herausforderungen durch die Transformation, die in den Betrieben bewältigt werden müssen. Mitbestimmung hat hier eine enorm wichtige Funktion, die Anerkennung verdient. Wenn Betriebsräte bei Entgelt und Aufstiegsmöglichkeiten benachteiligt werden, wird die Zukunft der Mitbestimmung gefährdet.
Wie beurteilt ihr den vorliegenden Gesetzentwurf?
Johanna: Der Entwurf schafft durch die von Thomas beschriebenen expliziten Regeln mehr Rechtssicherheit und kann dadurch viele Konflikte beenden. Das sorgt in Zukunftfür mehr Klarheit und Transparenz. Das Ehrenamtsprinzip, das die Unabhängigkeit von Betriebsrät:innen sichert, wird beibehalten. Klug ist auch, dass Anreize für Betriebsvereinbarungen zum Thema geschaffen werden. Die Betriebsparteien können so einen zugeschnittenen, transparenten Rahmen schaffen, der für Fairness sorgt.
Thomas: Der Gesetzentwurf ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung und wertschätzt berechtigterweise das Betriebsratsamt. Ich sehe gute Chancen für Betriebsrät:innen, die sich im Amt weiterentwickeln und weiterbilden, dies auch honoriert zu bekommen – wie jede:r andere Beschäftigte:r im Betrieb auch. IT-Fachleute, Arbeitsschützer oder Transformationsexpertinnen werden dann mit den Beschäftigten in den Fachabteilungen des Betriebs gleichbehandelt. Das ist berechtigt und fair.
An welchen Stellen habt ihr Kritik am Entwurf oder hättet euch vielleicht andere Regelungen gewünscht?
Thomas: Die Betriebsvereinbarung für die Kriterien der Vergleichsgruppe und die Vereinbarung der Personen sollten nicht freiwillig, sondern für den Betriebsrat durchsetzbar sein. Zudem hätte ich mir gewünscht, dass die Berücksichtigung der im Amt erworbenen Fähigkeiten in beide Gesetzestexte aufgenommen werden und nicht nur in die Begründung. Darüber hinaus ist endlich eine Modernisierung des Betriebsverfassungsgesetzes erforderlich, so wie sie der Gesetzentwurf des DGB von 2022 vorschlägt. Dabei geht es um einen besseren Schutz der Initiator:innen von Betriebsratswahlen, die bessere Strafverfolgung von Wahlbehinderungen durch die Arbeitgeber und vor allem auch um bessere Mitbestimmungsrechte, z.B. bei der Beschäftigungssicherung, der Personalplanung und bei Digitalisierung und KI.
Angenommen, der Entwurf wird nun in dieser Form beschlossen. Worauf wird es nun in der Praxis besonders ankommen, damit Betriebsrät:innen eine angemessen Vergütung erhalten?
Johanna: Der Entwurf wird hoffentlich so zeitnah wie möglich die schwelenden Konflikte und gerichtlichen Auseinandersetzungen beenden. In vielen Betrieben wird von der Möglichkeit, eine Betriebsvereinbarung zum Thema abzuschließen, Gebrauch gemacht werden und so jeweils passende Lösungen gefunden werden. Hierfür haben wir bereits Unterstützung erarbeitet und auch für wissenschaftliche Begleitung gesorgt. Kommt es dennoch zu Konflikten um die Vergütung und die Weiterentwicklung, haben Betriebsrät:innen und die Gewerkschaften, die sie unterstützen, mit dem neuen Gesetz hilfreiche rechtliche Instrumente, um für eine Anerkennung ihrer persönlichen Qualifikationen zu sorgen. Dann können wir uns hoffentlich auf inhaltliche Arbeit konzentrieren und rechtspolitisch weiter für eine starke Mitbestimmung streiten!
Die ausführlichen Stellungnahmen sowie eine Zusammenfassung und ein Video der öffentlichen Anhörung im Ausschuss für Arbeit und Soziales des Deutschen Bundestages findet ihr hier.