Arbeitsschutz und Mitbestimmung in der digitalen Arbeitswelt

Ein Mann arbeitet an einem Laptop und schaut aus dem Fenster

Der Text ist eine Kurzfassung des Beitrags der beiden Dozenten für das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI). Der vollständige Beitrag ist auf der Webseite des WSI als PDF frei verfügbar.

Arbeit außerhalb des Betriebs ist an sich nichts Neues. Auch früher ist auf Wanderbaustellen, im Außendienst und während der Dienstreise gearbeitet worden. Die Verantwortung für Ausstattung und Arbeitsschutz obliegt in solchen Fällen dem Arbeitgeber. Neue digitale Systeme machen es möglich, dass remote, das heißt aus der Ferne verrichtete Arbeiten virtuell ineinandergreifen, die früher an einem festen betrieblichen Ort „gemeinsam“ erledigt werden mussten. Die Corona-Pandemie hat die Entwicklungen zu mehr dezentraler Arbeit noch deutlich befördert. Gleichzeitig hat sich aber die Gewissheit aufgelöst, dass die Ausstattung des Arbeitsplatzes und die Kosten der Arbeit vom Arbeitgeber zu tragen sind. Im Homeoffice nutzen viele Arbeitnehmende ihre eigenen Arbeitsmittel (Laptop, Drucker, Küchentisch). Und ein neuer Zielkonflikt entsteht: Denn einerseits bedeutet mobile Arbeit weniger Pendeln und mehr Zeitsouveränität, andererseits verlagert sich die Verantwortung bei der Arbeitsorganisation stärker auf die Beschäftigten. Die Trennung von Arbeit und Freizeit wird brüchig und die ständige Erreichbarkeit sorgt für zusätzlichen Stress.

Der Gesetzgeber hat auf die veränderte Situation reagiert und einen neuen Mitbestimmungstatbestand in § 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG für die Gestaltung der mobilen Arbeit eingeführt, der jedoch im Wesentlichen als Auffangtatbestand für bereits bestehende Mitbestimmungsrechte einzuschätzen ist und nur bedingt neuen Handlungsspielraum bietet.

Grundsätzlich gelten auch bei mobiler Arbeit die üblichen Grundsätze des Arbeits- und Gesundheitsschutzes weiter. Daher bleiben auch die arbeitsschutzrechtlichen Pflichten des Arbeitgebers im Homeoffice grundsätzlich in Kraft. Wegen der besonderen Verhältnisse im Homeoffice und der eingeschränkten Möglichkeiten der Einflussnahme für die Arbeitgeber besteht zwar im Bereich des Arbeits- und Gesundheitsschutzes „zu Hause“ eine gestufte Verpflichtung der Arbeitgeber in Abhängigkeit von der Kooperationsbereitschaft der Beschäftigten, sie ändert aber im Grundsatz nichts daran, dass Arbeits- und Gesundheitsschutz, inklusive einer ergonomischen Ausstattung des Arbeitsplatzes, Aufgabe des Arbeitgebers ist.

Dementsprechend sind auch die Instrumente der betrieblichen Mitbestimmung beim Arbeits- und Gesundheitsschutz weiterhin anwendbar. Zwar kann der Betriebsrat die Einführung von Homeoffice nicht gegen den Willen des Arbeitgebers erzwingen. Soll aber im Unternehmen mobile Arbeit eingeführt werden, so kann der Betriebsrat auf deren Ausgestaltung einwirken. Daher sollten zum Beispiel Regelungen zur Arbeitszeit gefunden werden, welche die Einhaltung der gesetzlichen Pausen- und Ruhezeiten wirksam sicherstellen. Die Art der Arbeitszeiterfassung sowie ihre Auswertung sollte in einer verbindlichen Betriebsvereinbarung festgelegt werden.

Ein zentraler Regelungsaspekt digitaler Systeme ist darüber hinaus die technische Überwachung der Beschäftigten. Die Arbeit mit digitalen Systemen kann umfassend ausgewertet werden. Neben dem Ein- und Ausschalten von Laptops und PCs können sogar die Tippgeschwindigkeit, das Aufrufen von Dokumenten und E-Mails und immer präziser auch die Qualität der Arbeit erfasst werden. Aus großen Datenmengen lassen sich Normwerte ableiten und Abweichungen feststellen, was den Druck auf die Beschäftigten zusätzlich erhöht. Da Maßnahmen zur Verhaltens- und Leistungskontrolle mitbestimmungspflichtig sind, unterliegt auch die Einführung und Anwendung fast jeder heutzutage gängigen Büro-Software der Mitbestimmung. Diese Möglichkeit sollte in den Betrieben genutzt werden, um die Erfassung und Verwendung der Daten einzugrenzen und gegebenenfalls Sanktionsverbote für Arbeitgeber zu vereinbaren.

Ein weiterer Anwendungsbereich für eine Betriebsvereinbarung sind Gefährdungsbeurteilungen des Arbeitsplatzes, wozu auch die eingesetzten Betriebsmittel zählen.

Insgesamt sollte es das Ziel der betrieblichen Interessenvertretung sein, die verschiedenen Instrumente betrieblicher Mitbestimmung zu einem ganzheitlichen Arbeits- und Gesundheitsschutz zusammengeführt werden, indem die einzelnen Bausteine kombiniert und aufeinander abgestimmt werden. Dafür können sich Betriebsräte schulen lassen oder externen Sachverstand hinzuholen – die Kosten hierfür sind vom Arbeitgeber zu tragen.

Trotz umfassender individualschützender Normen und Mitbestimmungsrechte besteht Bedarf, den Arbeits- und Gesundheitsschutz durch tarifvertragliche und staatliche Regelungen zu verbessern. Das ist bereits deswegen notwendig, weil nur noch 40 % der Beschäftigten durch einen Betriebsrat vertreten werden und die Handlungsmacht der Betriebsräte sehr unterschiedlich ist – so können sie bei der Durchsetzung der Interessen der Beschäftigten keine Arbeitskampfmaßnahmen ergreifen.

Im Ergebnis sind die Beschäftigten, Betriebsräte, Tarifparteien und auch der Gesetzgeber gefordert, weitergehende Schritte zu vollziehen.

Anregungen können dabei auch neuere gesetzliche Regelungen aus Portugal liefern. Einerseits wird dort der Arbeitgeber bei der Ausstattung stärker in die Pflicht genommen und Zusatzkosten des Homeoffice können nicht auf die Arbeitnehmenden ausgelagert werden. Andererseits ist dort gesetzlich festgelegt worden, dass es Zeiten der Nichterreichbarkeit geben muss, die arbeitsvertraglich zu vereinbaren sind, und dass auch die digitale Arbeit zuhause nicht umfassend kontrolliert werden darf.