„Future Skills sind Fähigkeiten zur beruflichen Mündigkeit“

Wir sehen ein großes Büro mit verschiedenen Arbeitsplätze, die alle frei sind.

Ihr habt gerade zusammen mit Martin einen Beitrag über Future Skills für den Stifterverband geschrieben. Worum geht es in aller Kürze in eurem Beitrag?

Ramona Buske: Future Skills sind derzeit in aller Munde, meist mit Blick auf Hochschulen. Sie sollen ihre Absolvent:innen auf die Arbeitswelt vorbereiten – und dafür die zukünftig notwendigen Kompetenzen vermitteln. Wir wollten die Sicht der betrieblichen Bildung einfangen und haben dazu betriebliches Bildungspersonal und betriebliche Interessenvertretungen befragt. Wir wollten ermitteln, welche Future Skills in ihren Augen im Zuge der Transformation wichtig sind und wie in den Betrieben mit aktuellen Bildungsbedarfen umgegangen wird.

Ihr entwickelt dazu einen eigenen Begriff der Future Skills. Was ist eure Kritik an Future Skills Debatten?

Jana Wienberg: Die Mehrheit der Diskussionen hebt in erster Linie die Anpassung der Menschen an die sich verändernden Anforderungen hervor. Der Aspekt der aktiven Gestaltung der Arbeits- und Gesellschaftsbedingungen erscheint nur sekundär. Im Diskurs liegt vornehmlich ein Augenmerk auf den technischen Kompetenzen, diese ergänzen wir mit unseren Untersuchungsergebnissen durch jene Kompetenzen, die z.B. im Umgang mit Kontingenz, d.h. einer sich ständig wandelnden Arbeitswelt, einhergehen.

Inwiefern unterscheidet sich euer Begriff und welche Perspektive soll er ergänzen?

JW: Future Skills sind für uns nicht nur eine Anpassung der Lernenden an technische und organisatorische Veränderungen der Arbeitswelt. Future Skills in unserem Sinne heißt auch, Menschen zu befähigen, selbstbestimmt zu handeln, kritisch zu reflektieren und Veränderungen in Arbeitswelt und Gesellschaft proaktiv zu gestalten. Unserem Verständnis liegt ein kritisch-konstruktiver Weiterbildungsbegriff zugrunde. Menschen sollen befähigt werden, aktive Gestalter:innenn zu sein. Damit sind Future Skills auch Fähigkeiten zur beruflichen Mündigkeit.

Für den Beitrag habt ihr auch mit Akteur:innen aus der betrieblichen Bildungspraxis gesprochen. Was ist deren Blick auf die Future Skills Debatte?

RB: Einige Gesprächspartner:innen haben konkrete Vorstellungen und Verständnisse zu Future Skills, bei anderen ist dies noch kein Kernthema. In der Frage wie Weiterbildung ausgerichtet ist haben wir uns angeschaut, wie mit Bildungsbedarfen in den Unternehmen umgegangen wird. Die Weiterbildungsplanung reichte von anpassungsorientierten Strategien, die sich an den aktuellen Anforderungen an Markt, Organisation und Technik orientieren bis hin zu beteiligungsorientierten Weiterbildungsplanungen, die unter anderem die individuellen Bildungsinteressen der Mitarbeiter:innen berücksichtigen.

Welche „Future Skills“ sind in den Augen eurer Interviewpartner:innen besonders wichtig?

RB: Neben teilweise bekannten Future Skills wie Kommunikation und Kollaboration zeigte sich in unserer Untersuchung, dass flexibles Denken und der Umgang mit Unsicherheit sowie Mut, Verantwortungsbewusstsein und demokratische Grundkompetenz besonders wichtig sind. Demokratische Kompetenz und Haltung gehören dabei zur Lösung gesellschaftlicher Probleme und helfen, Differenzen und Auseinandersetzungen zu gestalten.

Gab es ein Ergebnis, das euch besonders überrascht hat?

RB: Überraschend finde ich, dass interdisziplinäres Denken explizit in der Praxis so angesprochen wurde. Das verweist auch darauf, dass Fachwissen weiterhin bedeutsam bleibt. Die Kunst besteht nun aber zusätzlich darin, die verschiedenen Disziplinen, Denkweisen und Perspektiven zusammenzubringen, um innovativ zu sein und neue Problemlösungen voranzubringen. Unerwartet war, dass aus Sicht des betrieblichen Bildungspersonals eine Art demokratische Grundkompetenz nicht immer vorausgesetzt werden kann. Wichtig erscheint, dass sich Auszubildende in betriebliche Prozesse einbringen können. Hierfür braucht es Raum für Aushandlungsprozesse und solidarisches Handeln.

Wenn ihr auf die Ergebnisse eures Beitrags schaut: Welche Ableitungen könnt ihr daraus für betriebliche Bildung treffen und was muss sich verändern?

JW: Anschließend an die Befunde wäre es bedeutsam zu ergründen, welche konkreten Methoden und Ansätze und welche institutionellen Rahmenbedingungen die Weiterentwicklung von Future Skills in verschiedenen beruflichen Umfeldern begünstigen. Das heißt konkret: Welche methodisch-didaktische Umsetzung wäre förderlich? Auf organisatorischer Ebene wäre weiter zu prüfen welche Merkmale die Entwicklung von Future Skills unterstützen. Diesen Fragen möchten wir weiterhin nachgehen.

Der besprochene Beitrag ist Teil der Publikation „Future Skills lehren und lernen“ des Stifterverbandes, die hier kostenfrei zur Verfügung steht.

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Beteiligte Personen

Dr. Ramona Buske
Prof. Dr. Jana Wienberg