Ausbildungen können Nachhaltigkeit stärken

Jana Wienberg sitzt im Flur des House of Labours und spricht mit einer Person, deren Rücken am rechten Bildrand zu sehen ist. Sie macht eine erklärende Handbewegung. Im Hintergrund ist das Bild von Hugo Sinzheimer aus dem House of Labour erkennbar.

Das folgende Interview ist zuerst bei leando erschienen und wird hier mit einem herzlichen Dank erneut veröffentlicht.

Leando: Nachhaltigkeit umfasst eine ökologische, soziale und ökonomische Komponente. Wo bewegt sich BASINtech in diesem „Dreieck“?

Jana Wienberg: Wir legen einen starken Fokus auf die soziale Dimension von Nachhaltigkeit. Dabei geht es um Mitbestimmung und das Mitgestalten von Arbeitsbeziehungen. Man könnte auch sagen, es geht um die Fähigkeit, sich aktiv einbringen zu können und gehört zu werden. Gleichzeitig blenden wir ökologische und ökonomische Aspekte nicht aus. Wir haben ein ganzheitliches Verständnis von Nachhaltigkeit, zumal gute Arbeitsbedingungen eine Grundvoraussetzung sind, um überhaupt ökonomische und ökologische Nachhaltigkeitsaspekte zu erfüllen.

Mit welchem „Produkt“ will BASINtech notwendige Kompetenzen stärken?

Sarah Styles: Wir entwickeln gemeinsam mit den am Projekt beteiligten Unternehmen ein modulares Weiterbildungsangebot. Die Idee ist, dass wir Handlungs- und Fachkompetenzen von betrieblichem Ausbildungspersonal und Betriebsräten im Bereich Nachhaltigkeit identifizieren und stärken. Zu den Kompetenzen gehören beispielsweise Resilienz und Adaptionsfähigkeit. Aus diesem Prozess wird ein modulares Weiterbildungsangebot für Betriebsräte und das betriebliche Ausbildungspersonal hervorgehen, das in den Unternehmen und an der University of Labour verstetigt werden soll.

Wo befinden Sie sich auf dem Weg zu diesem Ziel?

SaS: Wir haben zunächst eine Bedarfsanalyse durchgeführt. Im Mittelpunkt standen Fragen wie: Was versteht unsere Zielgruppe unter sozialer Nachhaltigkeit? Wo besteht Kompetenzförderungsbedarf? Um Antworten zu bekommen, haben wir Interviews mit Ausbildungspersonal und Betriebsräten aus den beteiligten Unternehmen geführt. Nun haben wir eine Online-Umfrage gestartet, damit wir zusätzlich zu diesem qualitativen Teil auch quantitative Daten haben. Die Erkenntnisse daraus tragen zur Entwicklung des Weiterbildungskonzeptes bei. So verfolgen wir einen beteiligungsorientierten Ansatz.

Warum fokussiert sich BASINtech auf den Hightech-Sektor?

JW: Wir haben uns für die Hightech-Branche entschieden, weil es hier viele unterschiedliche Industriezweige gibt. Von der Lebensmittelindustrie, dem Maschinenbau, Künstlicher Intelligenz oder auch Gesundheitstechnologie ist hier nahezu alles vertreten. Daneben steht dieser Bereich unter einem hohen Innovationsdruck und ist damit auch bereit, sich weiterzuentwickeln.

Geschäftsmodelle lassen sich mitunter leichter nachhaltig gestalten, wenn damit wirtschaftliche Vorteile erzielt werden können. Wird dieser Maßstab auch an soziale Nachhaltigkeit angelegt?

JW: Die Stärkung sozialer Nachhaltigkeit führt in der Regel zu höherer Mitarbeiterzufriedenheit, weniger Krankheitstagen und geringerer Fluktuation. Dahinter verbergen sich durchaus harte ökonomische Zahlen. Es fällt außerdem schwer, ökologische und ökonomische Ziele zu erreichen, wenn Arbeitsplatzsicherheit nicht vorhanden ist.

SaS: Gerade in dem heutzutage sehr umkämpften Azubi-Markt hat ein Unternehmen auf sehr vielfältige Weise etwas von mehr sozialer Nachhaltigkeit. In den Interviews, die wir im Rahmen unserer Bedarfsanalyse geführt haben, ist von den Unternehmen auch immer wieder das Thema Recruiting angesprochen worden. Hier spielen gute Arbeitsbedingungen eine entscheidende Rolle.

Soziale Nachhaltigkeit kann demnach ein Attraktivitätsmerkmal für Betriebe sein?

SaS: Ja, bei Auszubildenden ändern sich die Wünsche und Ansprüche in Sachen Mitgestaltung. Sie wollen sich ein Stück weit selbst verwirklichen und achten gleichzeitig auf die Work-Life-Balance. Darauf muss man als Unternehmen eingehen. Auch das Thema Gesundheit und Psyche wird als wichtiger Faktor für den Erfolg eines Unternehmens angesehen. Hier sehen wir Potenzial für das Projekt, eine große Wirkung zu entfalten.

JW: Soziale Nachhaltigkeit macht etwas mit der Kultur des Arbeitens. Sie fördert den Spaß am Arbeiten und auch die Reputation eines Unternehmens.

Mit Angeboten für Ausbildungspersonal setzt BASINtech direkt bei der Integration junger Leute in Unternehmen an. Warum?

SaS: Die Auszubildenden sind im besten Fall die nächste Generation der Beschäftigten im Betrieb. Wenn Nachhaltigkeit für sie zu einer Selbstverständlichkeit wird, hat dies einen sofortigen Effekt auf den ganzen Betrieb. Insofern ist die Ausbildung zwar nicht der einzige aber ein sehr guter Ansatzpunkt, um die organisatorische Kultur von Unternehmen und damit die Lebenswelt von Beschäftigten umfassend zu verändern.

Auf welche Hindernisse kann man im Streben nach mehr Nachhaltigkeit stoßen?

JW: Das Thema Nachhaltigkeit wird nicht immer positiv gedeutet. Es kann durchaus mit Einschränkungen assoziiert werden. Deshalb ist wichtig, die Sinnhaftigkeit auf individueller Ebene erlebbar zu machen. Wenn das Thema nur auf oberster Unternehmensebene strategisch vorgegeben wird, gelingt dies nicht.

SaS: Unternehmen sollten dafür sorgen, dass Maßnahmen zur Stärkung von Nachhaltigkeit für alle Beschäftigten sichtbar sind. Das kann Bio-Kost in der Kantine sein, die Anschaffung von E-Fahrzeugen oder die Koordination von Azubi-WG’s. Gezielte Angebote, die sichtbar sind und für kulturelle Veränderung stehen, sind wichtig. So kann individuelle Akzeptanz entstehen.

BASINtech arbeitet mit großen Unternehmen wie Airbus, Carl Zeiss oder thyssenkrupp zusammen. Ist Nachhaltigkeit dort eigentlich leichter umsetzbar als in kleineren Betrieben?

SaS: In großen Unternehmen gibt es viele Möglichkeiten, Nachhaltigkeitsziele erfolgreich umzusetzen. Hier gibt es oft eine klare Strategie auf der Meta-Ebene, die als Leitbild dient. Wichtig ist es, diese Strategie so in die einzelnen Bereiche zu übersetzen, dass die Wirkung greifbar und sichtbar wird – auch für die Beschäftigten. Ausbilderinnen, Ausbilder und Betriebsräte spielen dabei eine Schlüsselrolle: Mit den richtigen Werkzeugen und einer gezielten Unterstützung können sie wesentlich dazu beitragen, dass die Unternehmensziele erreicht werden. Es ist ermutigend zu sehen, dass viele Unternehmen trotz wirtschaftlicher Herausforderungen zunehmend Prioritäten in Richtung Nachhaltigkeit setzen und notwendige Kapazitäten dafür schaffen.

Wie möchten Sie die Weiterbildungsangebote von BASINtech langfristig aktuell halten?

JW: Das Angebot lebt davon, dass wir es fortlaufend mit den Praxispartnern weiterentwickeln und an sich wandelnde Formate anpassen. Unser Ansatz ist, dass wir ein Angebot entlang der Bedarfe unserer Partnerunternehmen entwickeln. Wir hoffen zudem, dass die Unternehmen das Angebot selbst verstetigen. Das wäre perfekt.

Wie sollen die Weiterbildungsangebote zur Verfügung gestellt werden?

JW: Da wir mit der Praxis so eng zusammenarbeiten, ist es wichtig, dass wir mit Multiplikatoren arbeiten. Daneben wollen wir das Angebot über unser Netzwerk und Gewerkschaften etablieren. Wir werden das modulare Weiterbildungskonzept später auch in unser University of Labor-Portfolio aufnehmen. Wir versuchen mit kleinen Modulen sehr kleinschrittig zu arbeiten, damit unser Angebot gut in den Arbeitsalltag integriert werden kann. Damit sollen eine größere Teilnahme und größere Akzeptanz erreicht werden. Dann wird das Angebot auch eher weitergetragen.

Wie sieht es mit Unternehmen aus, die noch nicht zu den Forschungspartnern gehören, aber neugierig sind auf das Projekt BASINtech?

JW: Für Unternehmen, die unser Angebot spannend finden, sind wir offen und gerne bereit, das Konzept weiterzuentwickeln! Wir sind auch schon mit kleineren Unternehmen in Gesprächen, um zu sehen, wie sich unser Projekt hier übertragen lässt. Aktuell arbeiten wir ja mit sehr großen Partnerunternehmen zusammen. Auch für uns ist spannend, sich zu fragen, wie das Angebot für KMU funktionieren würde.

 

icon - person

Beteiligte Personen

Dr. Sarah Styles
Prof. Dr. Jana Wienberg