Tobias, du warst vor Kurzem an der Cornell University bei einer Konferenz zu Künstlicher Intelligenz. Worum ging es dabei genau?
Das Thema der Konferenz war Künstliche Intelligenz in der Arbeitswelt und wie sich die Arbeit aktuell dadurch verändert. Dazu waren einerseits viele Wissenschaftler:innen aus der ganzen Welt eingeladen, aber auch amerikanische Gewerkschaftsvertreter:innen, die über ihre Erfahrungen aus der Praxis berichtet haben. Es war vor allem spannend, weil dort ganz unterschiedliche Wissenschaftsdisziplinen zusammengekommen sind. Dabei wurde auch deutlich, dass KI ganzheitlich betrachtet werden muss. KI trägt nicht nur dazu bei, dass Jobs verschwinden – sie kann diese auch aufwerten.
Wie sehen die Kolleg:innen in den USA die Situation in Deutschland?
Für viele Gewerkschafter:innen aus den USA ist Deutschland so etwas wie das „gelobte Land“. Hier gibt es eine etablierte Vertretung der Interessen der Beschäftigten und grundsätzlich eine gesetzliche Regulierung. Man muss sich das bewusstmachen, dass man sich diese Bedingungen über Jahrzehnte erkämpft hat. Das Ganze ist wie ein Schatz, den man aber auch hüten und verteidigen muss. Dadurch hat man ein Stück weit Verantwortung, einen nachhaltigen, positiven Weg im Bereich KI in der Arbeitswelt zu gehen.
Die Situation für Gewerkschaften in den USA ist deutlich anders als in Deutschland. Gibt es beim Thema KI in der Arbeitswelt große Unterschiede zwischen beiden Ländern?
Bei den übergeordneten Themen, also wie verändert sich Arbeit durch KI, sind die Unterschiede eigentlich nicht besonders groß. Wie bei uns ist es dort ein wichtiges Anliegen, dass die Beschäftigten bei der Implementierung von Künstlicher Intelligenz mit am Tisch sitzen und von Anfang an eingebunden werden. Transparenz ist dabei besonders relevant. Viele kämpfen dafür, dass sie überhaupt vom Arbeitgeber informiert werden, wo genau KI im Arbeitsprozess eingesetzt werden soll.
Wo es tatsächlich einen signifikanten Unterschied gibt, ist im Bereich Kontrolle und Überwachung. Das ist wirklich erschreckend zu beobachten, wie durch diese Methoden gläserne Belegschaften erzeugt werden. Da haben wir auch durch das Betriebsverfassungsgesetz, womit dann etwa zur Leistungs- und Verhaltenskontrolle zumindest in den großen Betrieben oftmals auch Betriebsvereinbarungen entstehen, schon eine deutlich bessere Situation.
Kommen wir zur letzten Frage: Gibt es Strategien, die man voneinander lernen kann?
Auch in den USA ist Empowerment bei KI ein großes Thema. Die Beschäftigten dürfen bei KI-Projekten nicht außen vorgehalten werden, sondern müssen aktiv mitbestimmen können, wie Arbeitsprozesse verbessert werden können. Das war für mich total interessant, dass das für die amerikanischen Gewerkschaften trotz ihrer prekären Lage ein wichtiges Anliegen ist. Diese Forderungen decken sich auch mit unseren Forschungsergebnissen, dass Empowerment ein Erfolgsfaktor für die Einführung von KI in der Arbeitswelt ist.