Philipp, du hast gerade einen Beitrag zur Vergütung in Banken in Folge der Finanzkrise veröffentlicht. Wie kam es dazu?
Finanzkrisen und Arbeitsrecht können sehr eng zusammenhängen. Denn wenn die Vergütung von Verantwortungsträgern in Banken zum großen Teil aus Bonuszahlungen besteht, die an kurzfristige Gewinne der Banken geknüpft werden, dann ist dies ein echtes Problem. Dadurch entstehen Fehlanreize, die dazu verführen, in risikoreiche – sprich gefährliche – Produkte für die Wirtschaft und damit auch die Gesellschaft zu investieren. Hierfür gibt es nun eine neue Regulierung, über die ich einen grundlegenden Beitrag geschrieben habe.
Worum geht es bei der Regulierung?
Nach der großen Finanzkrise 2007/2008 hat man systemische Defizite im Bankenbereich festgestellt und bemerkt, dass auch das Vergütungsrecht für Banker ein entscheidender Faktor ist. Vergütungen sind ein wichtiges Steuerungsinstrument. Dort hat man also angesetzt und auf europarechtlicher Ebene Vorgaben gemacht, die bestimmen, dass die Bonuszahlungen nicht zu hoch im Vergleich zur Grundvergütung sein dürfen. Außerdem müssen in der Höhe der Bonuszahlungen auch Nachhaltigkeitskriterien und nicht nur kurzfristige Gewinnmöglichkeiten einbezogen werden. Dabei müssen die Banken und Kreditinstitute nun transparent machen, wie sie ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit besonderer Verantwortung eigentlich vergüten.
Kannst du konkret erklären, wie sich die Vergütung nun verändert?
Eine Bank-Managerin darf zum Beispiel nicht mehrein Grundgehalt von 120.000 Euro kombiniert mit mehreren Millionen Euro an Bonuszahlungen pro Jahr erhalten. Das ist nun rechtlich nicht mehr möglich. Von wenigen Ausnahmen abgesehen darf die Bonuszahlung – man nennt sie juristisch „variable Vergütung” – insgesamt nicht mehr höher sein als das Grundgehalt. Zudem muss die variable Vergütung auch an die Erreichung bestimmter umweltschützender, sozialer und Governance-Kriterien (ESG) geknüpft werden. Bonuszahlungen sollen sich also nicht nur an finanziellen Kennzahlen orientieren. Die Vergütungen sollen stattdessen auch Anreize für mehr Nachhaltigkeit setzen. Es sind z. B. auch Ziele wie CO₂-Reduktion, soziale Verantwortung, Diversität u. ä. als Bemessungsgrundlage heranzuziehen.
Wer kontrolliert eigentlich, ob die Banken sich dann auch daran halten?
Hierfür gibt es zunächst einmal staatliche Behörden wie die BaFin, die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht in Bonn und Frankfurt am Main oder auch europäische Behörden, wie die EBA, die Europäische Bankenaufsichtsbehörde in Paris, die Standards setzen soll – und schließlich auch die EZB, die Europäische Zentralbank, ebenfalls mit Sitz in Frankfurt am Main.
Und welche Rolle kann da die Mitbestimmung spielen?
Eine besonders wichtige Rolle nimmt darüber hinaus in der Tat die Mitbestimmung in den Banken und Kreditinstituten ein. Dies betrifft sowohl die betriebliche Mitbestimmung als auch die Aufsichtsräte, in denen immer auch Mitglieder aus dem Kreis der Beschäftigten dabei sein müssen. Im Rahmen der betrieblichen Mitbestimmung kann der Betriebsrat z. B. mitgestalten, wenn es um Auszahlungsmodalitäten, Transparenz, Zielvereinbarungen oder ESG-Kriterien geht. Auch Betriebsvereinbarungen zur Bonusverteilung sind möglich. Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat nehmen sehr wirkmächtig Einfluss auf die Vergütungspolitik für die Vorstandsmitglieder und üben Kontrolle über die Einhaltung der Nachhaltigkeitsziele aus.
Inwiefern ist das Modell auch für andere Branchen interessant?
Nachhaltigkeit ist nicht nur In Banken und Kreditinstituten ein großes Thema. Denn ESG-Vorgaben betreffen alle Branchen, z. B. durch die EU-Regelungen zu Taxonomie, CSRD (Nachhaltigkeitsberichterstattung), Lieferkettengesetz und vieles mehr. Nachhaltigkeit ist dabei nicht nur eine Umweltfrage – auch soziale Faktoren wie faire Entlohnung, Gleichstellung, Transparenz spielen eine Rolle. In Branchen wie Automobil, Energie, Logistik, IT, Gesundheitswesen steht der Wandel zu klimafreundlicher, digitaler Wirtschaft im Zentrum. Hier kann man aus meiner Sicht von den neuen Regelungen im Bankensektor viel lernen und auch über die Vergütung Anreize für nachhaltige Entwicklung setzen.
Was können Mitbestimmungsakteur:innen in anderen Branchen beim Thema Vergütung von der Bankenbranche lernen?
Banken müssen nun Vergütungsberichte und Kriterien offenlegen. Aber auch in anderen Unternehmen kann die Vergütungspolitik z. B. in Betriebsvereinbarungen oder durch klare Vorgaben des Aufsichtsrats transparent geregelt werden. Zieldefinitionen und Auszahlungsmodalitäten können für die gesamte Belegschaft dokumentiert und nachvollziehbar gemacht werden. Der große Vorteil liegt darin, dass dies Vertrauen stärkt und zu Fairness und Nachvollziehbarkeit insgesamt beiträgt. Gerade in Branchen mit Transformationsdruck bietet das Modell, das hier für Banken und Kreditinstitute geschaffen wurde, eine wertvolle Orientierung.
Das Buch „Vergütungsrecht für Banken“ wird von Alexander Insam und Hans-Georg Reuter herausgegeben, ist aktuell im Otto Schmidt Verlag erschienen und kann hier bestellt werden.