„In zwölf Monaten zur Betriebswirt:in“

Heiko Hoßfeld steht im Foyer der University of Labour und lächelt selbstbewusst in die Kamera.

Heiko, du hast das neue Hochschulzertifikat „Betriebswirt:in (DBS)“ entwickelt. Warum?

Heiko Hoßfeld: Wer auf Augenhöhe mit dem Arbeitgeber verhandeln und mitbestimmen will, muss die wirtschaftlichen Zusammenhänge im Unternehmen verstehen. Dafür braucht man ein fundiertes betriebswirtschaftliches Wissen, wie es etwa unser BWL-Bachelor bietet. Viele Betriebsrät:innen haben sich von uns aber ein kompakteres Angebot gewünscht. Dem Wunsch kommen wir natürlich gerne nach: Bei uns können Betriebsrät:innen jetzt in zwölf Monaten zur Betriebswirt:in mit Hochschulzertifikat werden. Und wer dann noch Lust auf mehr hat, kann ohne Verluste im zweiten Jahr des BWL-Bachelors weiterstudieren.

Kannst du erklären, warum Betriebsrät:innen für ihre Arbeit BWL brauchen?

Wenn es um Unternehmensentscheidungen geht, sind Betriebsrät:innen ständig mit betriebswirtschaftlichen Fachbegriffen, Konzepten und Logiken konfrontiert. Die BWL hat ihre eigene Sprache – und hinter ihren Worten verbergen sich oft weitreichende Konsequenzen für die Beschäftigten. Zum Beispiel bei Standortentscheidungen: Hier geht es um nichts weniger als die Zukunft der Arbeitsplätze. Ganz besonders in der Transformation kommt es darauf an, dass Betriebsrät:innen Unternehmensentscheidungen verstehen und analysieren können.

Du meinst also, Betriebsrät:innen müssen die Sprache der BWL lernen?

Wenn ich verstehen will, was der Arbeitgeber mit seinen Vorschlägen sagen will, muss ich seine Sprache verstehen – und sie auch selbst so gut sprechen können, dass ich schlagfertig antworten kann. Um im Beispiel zu bleiben: Wenn ich bei Standortentscheidungen mitdiskutieren will, muss ich genau wissen, worauf es dabei ankommt. Auf welche Zahlen muss ich achten? Welche Argumente gibt es für den eigenen Standort? Und: Welche Argumente der Gegenseite sind vielleicht falsch? Bei uns lernen die Teilnehmenden, dem Arbeitgeber fachlich auf Augenhöhe zu begegnen. Sie können genau begründen, warum sie wofür oder wogegen sind – und im besten Fall sogar eigene Lösungen vorschlagen.

Was genau lernen die Teilnehmenden dann im Diploma?

Im Wesentlichen lernen die Teilnehmenden bei uns betriebswirtschaftliches Entscheiden und machen dazu quasi einen Intensivkurs in den Kerndisziplinen der klassischen BWL. Sie erlernen betriebswirtschaftliche Methoden und den sicheren Umgang mit wirtschaftlichen Kennzahlen. Und sie lernen, Dynamiken und Entwicklungen im Unternehmen genau zu verstehen und aufbauend darauf richtig zu reagieren. Konkret beinhaltet das Diploma neben den zentralen betriebswirtschaftlichen Modulen Grundlagen der BWL, Accounting & Controlling und Investition & Finanzierung auch Module zu Organisationstheorie, Projektmanagement und Wirtschaftsmathematik. Damit erhalten die Teilnehmenden einen kompakten, praxisnahen und zugleich tiefgehenden Einblick in die Betriebswirtschaftslehre.

Das klingt nach viel BWL, aber noch nicht so viel nach Betriebsrat. Welche Rolle spielt die konkrete Betriebsratspraxis in den Modulen?

Unsere Inhalte haben einen sehr hohen Bezug zur Betriebsratsarbeit. Deshalb können auch fast alle Module des Diplomas nach § 37 Abs. 6 BetrVG besucht werden. Wir haben die Praxisorientierung zudem zum Prinzip unseres Studienmodells gemacht. Wenn wir etwa über Fallbeispiele sprechen, stammen die fast immer von den Teilnehmenden selbst: Sie bringen konkrete Fragen und Probleme aus ihrer Betriebsratsarbeit ein und können dann mit den anderen Teilnehmenden wissenschaftlich über Lösungen diskutieren. Besonders wichtig ist uns der Transfer: Wie wende ich das neue Wissen jetzt im Gremium an? Dazu verfassen die Teilnehmenden oft kleinere Transferarbeiten.

Mit § 37 Abs. 6 BetrVG sprichst du einen wichtigen Punkt an. Auch die im Amt erworbenen Qualifizierungen müssen jetzt bei der Vergütung berücksichtigt werden. Macht euer Diploma einen Unterschied mit Blick aufs Entgelt?

Unser Diploma ist ein akademischer Weiterbildungsabschluss einer staatlich anerkannten Hochschule. Neben sehr viel Fachwissen bringt das Diploma also auch einen formellen Beleg über bestimmte Qualifikationen im Bereich der Betriebswirtschaft. Das kann dabei helfen, neue Entgeltperspektiven zu erschließen, ob im Betriebsratsamt oder auch über das Amt hinaus. Für die angemessene Vergütung als Betriebsrat hilft der Abschluss dabei, eine entgeltrelevante Qualifizierung nachzuweisen. Der Abschluss allein reicht aber nicht aus, um automatisch mehr Entgelt zu erhalten. Entscheidend ist dann immer noch, dass die Qualifikation im Betrieb auch gesucht wird, also eine entsprechende Stelle frei ist. Als BWLer kann ich aber sagen: In den meisten Unternehmen wird regelmäßig nach Betriebswirt:innen und betriebswirtschaftlichen Qualifikationen gesucht.

In einigen Unternehmen wird als Nachweis immer ein Bachelor verlangt. Wie hilft euer Diploma da weiter?

Unser Betriebswirt:in-Diploma ist direkt mit unserem Bachelor Angewandte Betriebswirtschaftslehre verknüpft. Die Inhalte des Diplomas decken sich fast komplett mit dem ersten Studienjahr des Bachelors und können für unseren Bachelor voll anerkannt werden. Das heißt konkret: Absolvent:innen des Diplomas können in das zweite Studienjahr des Bachelors einsteigen und mit nur einem zusätzlichen Modul nahtlos weiterstudieren. Mit Abschluss des Diplomas haben sie also schon fast das erste Drittel des Bachelors geschafft. Ob sie nur das Diploma oder doch den ganzen Bachelor machen wollen, können unsere Studierenden also frei und flexibel entscheiden. Sie können auch erstmal das Diploma machen und ihr Studium dann zu einem späteren Zeitpunkt fortsetzen.

BWL-Abschlüsse gibt es ja zahlreiche in Deutschland. Was macht den Abschluss der UoL besonders?

Du hast Recht, BWL-Abschlüsse gibt es viele. Mitbestimmung spielt da aber fast nie eine Rolle. Bei uns ist das komplett anders. Wir diskutieren bei allen betriebswirtschaftlichen Fachinhalten immer auch: Welche Auswirkungen hat das auf die Beschäftigten? Und was bedeutet das für die Mitbestimmung? Wir nennen die University of Labour ja nicht umsonst auch Hochschule für eine mitbestimmte Arbeitswelt. Was die fachlichen Inhalten anbelangt, sind wir aber natürlich vergleichbar mit anderen BWL-Abschlüssen. Für unsere Studierenden ist das ein Vorteil: Unser BWL-Diploma kann dadurch auch für viele Bachelorprogramme an anderen Hochschulen anerkannt werden. Da gibt es dann aber in der Regel keinen Fokus auf die Mitbestimmung.

Das Interview ist erstmalig in der Arbeitsrecht im Betrieb 7+8/2025 erschienen.

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Beteiligte Person

Prof. Dr. Heiko Hoßfeld
Lächelnder Mann mit Brille, Anzug und Hemd, vor einer hellen Wand in einem modernen Gebäude.